René Zühlke traf Klarinettist Georg Arzberger für ein Gespräch über die Naxos Music Library und sein neues Album mit Fantasiestücken für Klarinette und Klavier.


Naxos Music Library im Einsatz an der Musikhochschule

René Zühlke: Herr Arzberger, Sie sind seit 2019 Professor für Klarinette an der Hochschule für Musik und Theater München. Über die dortige Hochschulbibliothek können Lehrende wie Lernende die digitale Bildungsressource „Naxos Music Library“ nutzen. Wann haben Sie die NML erstmals betreten und was gefällt Ihnen besonders an der NML?

Georg Arzberger: Ich nutze die NML seit dem Beginn meiner Lehrtätigkeit in München. Es ist so wichtig für die Studierenden einen Einblick in die Interpretationsgeschichte zu bekommen und dafür ist die NML einfach großartig.

René Zühlke: Nutzen Sie eher die Desktop/Browser-Version oder die NML-App?

Georg Arzberger: Ich nutze meist die App, da das in Zusammenarbeit mit einem guten Kopfhörer das deutlich bessere Klangergebnis bringt als der PC Lautsprecher….

René Zühlke: Haben Sie schon von der Playlistfunktion Gebrauch gemacht, um Ihren Studenten Hörempfehlungen  als Ergänzung zu den Lehrveranstaltungen mitzugeben?

Georg Arzberger: Ehrlichgesagt nein; aber das klingt toll und werde ich gleich ausprobieren.

René Zühlke: Was sollte in der NML verbessert werden? Gibt es Funktionen oder Inhalte, die Ihnen fehlen?

Georg Arzberger: An sich fehlt mir nichts. Manchmal ist es in der App schwierig Dinge zu finden, da man sie exakt so schreiben muss, wie es auf den Tonträgern geschrieben steht. Und gerade bei historischen Dingen wie Komponistennamen, Werkbezeichnungen etc. gibt es oft verschiedene Schreibweisen. Ich möchte das aber nicht unbedingt auf die NML abwälzen; möglicherweise liegt das auch an meinen Fähigkeiten im Umgang mit Digitalem…

René Zühlke: An welchen Stellen fördert allgemein das „Digitale“ die Entwicklung eines jungen Musikers und wo ist es eher nachteilig?

Georg Arzberger: Die einfache Zugänglichkeit ist großartig um sich umfassend bilden zu können. Problem dabei ist, dass man das Angebot erst einmal sortieren und entsprechend einordnen muss. Das erste Suchergebnis bei Youtube ist eben nicht zwingend die beste Aufnahme….

Neues Album: Fantasiestücke für Klarinette und Klavier

Fantasie
Georg Arzberger | Julian Riem

Katalog-Nr.: B108117 | Label: FARAO classics

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Julian Riem und Georg Arzberger Foto © Claudia Reiter

René Zühlke: Auf Ihrem neuen Album mit Pianist Julian Riem sind ausschließlich Fantasiestücke zu hören. Wie definieren Sie persönlich diese Gattung bzw. Kompositionsform?

Georg Arzberger: Das ist schwer in ein Muster zu bringen. Aber genau das ist das Schöne darin: Fantasie ist frei und nicht zielorientiert, wie z.B. Kreativität, die ein gewisses Ziel ausfüllen oder erreichen will. Klar gehorchen diese Werke allen musikalischen Gesetzen wie Spannungsverläufen, harmonischen Zusammenhängen, Rhythmus, Temporelationen, etc. Dennoch sind die Formen sehr vielfältig, wie auch die musikalischen Ideen. So haben alle Komponisten Kleinode geschaffen, die verschiedenste Stimmungen wiedergeben und in ganz unterschiedliche Traum- und Fantasiewelten entführen.

René Zühlke: Wie kam es zur Auswahl dieses Repertoires? Wie fanden Sie die Stücke?

Georg Arzberger: Einige Werke gehören ja eher zu unserem Standardrepertoire, die anderen haben sich „gefunden“ im Laufe der Jahre. Die Fantasiestücke von Winding spielen oft auch mal meine Studierenden, Eschmann lag schon lange – leider ungespielt – in meinem Notenschrank. Ich muss es wohl mal in einem Notenladen oder Antiquariat erworben haben. Tatsächlich war dies dann auch das ausschlaggebende Werk, da ich es einmal spielen wollte und sich der Rest dann doch recht logisch dazu gefügt hat.

René Zühlke: Schumann, Gade und Reinecke werden die meisten Klassik-/Musikinteressierten schon gehört haben. Aber August Hendrik Winding und Johann Carl Eschmann sind wohl eher nicht „kanonverdächtig“ und dürften den meisten eher unbekannt sein. Was hat es mit diesen beiden Komponisten auf sich, wo sind sie in der Musikgeschichte zu verorten und welche Bedeutung kommt ihnen zu?

Georg Arzberger: Natürlich werden wir aufgrund der beiden jetzt nicht die Musikgeschichte neu schreiben müssen, aber es sind doch beides sehr eigenständige Werke mit ganz unterschiedlichem Charakter, Aufbau und Ideen. Und das Interessante dabei ist, dass alle 5 Komponisten auf dem Album eine mehr oder weniger enge Verbindung nach Leipzig hatten, wo sich seinerzeit vieles im Musikleben konzentriert hat rund um Mendelssohn-Bartholdy und Carls Reinecke als prägende Lehrer.

Und darüber hinaus …

René Zühlke: Welches Werk sollte jede(r) mal gehört haben? Haben Sie ein All-Time-Favorite Werk? (Und hoffentlich haben wir bereits mindestens eine Einspielung bei uns in der NML …)

Georg Arzberger: Das ist eine sehr schwierige Frage. Es gibt so viel Musik, für die ich mich begeistern kann. Das hängt auch oft von meiner Stimmungslage ab. Klar wird sich vieles konzentrieren in der Ebenmäßigkeit und Schönheit der Klassik, bei Mozart (Ich liebe die A-Dur Sinfonie Nr. 29, natürlich die Opern und sein Requiem, was doch irgendwie alles beinhaltet was die Welt und das Menschsein ausmacht; ich glaube Letzteres sollte man durchaus mal gehört haben…) und auch bei Beethoven (die „Eroica“ zieht mich jedes Mal neu in ihren Bann). Auf der anderen Seite bin ich ein großer Fan von Gustav Mahler. Wenn ich die Auferstehungssinfonie höre, schon so viel Erschütterndes und Grausamens gehört habe in den ersten Sätzen (Bernstein sprach einmal vom „Aufschrei des Ekels“ an einem Höhepunkt) und dann das Urlicht anhebt, dann kann ich eigentlich hier nicht weiterschreiben, weil die Worte fehlen. Da könnte ich mich unendlich hineinversenken. Gerne mit Bernstein und der wunderbaren Janet Baker, bei denen man sich schon fast wie im Himmel fühlt.

Sie merken, das kann schnell ausufern bei mir. Und da habe ich ganz vergessen, dass es geniale Musik von J.S. Bach gibt und ich als langjähriger Opernmusiker die Oper sehr liebe. „Tosca“, „Tristan und Isolde“, „Jenufa“ und „Peter Grimes“ nur als eine kleine Auswahl „meiner Highlights“. Ich könnte noch lang weitermachen, da ich Musik einfach liebe (und es gibt ja außerhalb der Klassik noch weit mehr geniale Musik, die ich auch sehr liebe), aber das erspare ich uns jetzt, sonst finden wir kein Ende…

René Zühlke: Gibt es ein aktuelles Album von einem anderen Künstler/Musiker, das Sie unseren Lesern empfehlen möchte und wenn ja, was macht dieses Album aus?

Georg Arzberger: Es gibt glücklicherweise so viele tolle Aufnahmen und ich will niemanden vor den Kopf stoßen, indem ich ihn hier nicht nenne, weil ich das Album möglicherweise (noch) nicht kenne…

Vielleicht ein kleiner Hinweis zu einem Orchester und Dirigenten, die ich sehr schätze und mit denen mich persönlich viel verbindet. Ich schätze es einfach unglaublich, mit welcher Ernsthaftigkeit, aber eben auch mit welchem Elan Antonello Manacorda in den letzten Jahren zusammen mit der Kammerakademie Potsdam das sinfonische Werk von Schubert und Mendelssohn-Bartholdy und jüngst Beethoven aufgenommen haben.

René Zühlke: Gibt es etwas, was Sie schon immer loswerden wollten, aber leider noch nie gefragt worden sind?

Georg Arzberger: Ich möchte an dieser Stelle gerne alle Menschen ermutigen, neugierig zu sein und diesen großartigen Kosmos der Musik zu entdecken – auf Aufnahmen, aber auch live. Musik kann uns so viel geben und ich glaube auch so viele Dienste an und für die Gesellschaft leisten. Ich weiß, ich bin da sehr Idealist, aber eben auch überzeugt davon. Musik kann all unser Dasein hinterfragen und alle Facetten ausleuchten und am Ende stehen doch Werte von Gleichheit, Gerechtigkeit und vor allem Freiheit, die sie uns vermittelt. Und die brauchen wir gerade mehr denn je.

René Zühlke: Vielen Dank für das Gespräch!


Mehr über Georg Arzberger erfahrt Ihr auf seiner Webseite.