Peter Kofler begann 2017 die Gesamteinspielung der Orgelwerke von Johann Sebastian Bach. „OPUS BACH | Orgelwerke Vol. 2“ ist das zuletzt bei FARAO classics erschienene Album. Im Unterschied zu früheren Gesamteinspielungen an historischen Instrumenten entsteht dieses ambitionierte Projekt an einem „modernen“ Instrument. Denn Johann Sebastian Bach war nicht nur Vollender einer großen polyphonen Epoche; er war auch Neuerer und Impulsgeber insbesondere auf dem Gebiet der Orgelmusik. Die Einführung der temperierten Stimmung, der virtuose Gebrauch des Orgelpedals oder die Entwicklung des Hammerklaviers: Bach hatte daran maßgeblichen Anteil und nutzte als einer der Ersten die Möglichkeiten moderner Entwicklungen auf dem Gebiet des Instrumentenbaus. Die 4-manualige Rieger-Orgel der Münchner Jesuitenkirche St. Michael hat mit ihren 75 Registern viele jener Eigenschaften zu bieten, die Bach nachweislich geschätzt hat. Neben einem imposanten Fortissimo verfügt sie über eine Vielzahl charakteristischer Registerfarben, von denen der Leipziger Thomaskantor wohl nur träumen konnte.

OPUS BACH | Orgelwerke Vol. 2
Peter Kofler

Katalog-Nr.: B108113

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Wie bereits das Vorgänger-Album (Katalognr.: B108110) bietet auch die Fortsetzung eine in sich geschlossene Dramaturgie. Peter Kofler sprach darüber mit Matthias Keller.

Peter Kofler: Im Mittelpunkt steht wieder jeweils die Idee eines „Konzertprogramms“. Die Folgen 6 und 7 [in der NML Disc 1 und 2] widmen sich dem „Dritten Theil der Clavierübung“, der sogenannten „Orgelmesse“. Allerdings habe ich mich entschieden, nicht wie üblich zuerst die „große“ Orgelmesse mit den großen Choralbearbeitungen zu präsentieren, gefolgt von der „kleinen“ mit den kürzeren Stücken. Stattdessen habe ich zwei getrennte Programme daraus gemacht, beginnend mit den Stücken der „kleinen“ Orgelmesse, die ich wiederum kombiniere mit der wenig bekannten Choralpartita „O Vater, allmächtiger Gott“, BWV 758, zwei eher selten zu hörende Trios in c-Moll und G-Dur und dem Pedal-Exercitium im Zentrum. Flankiert wird das Ganze jeweils von einem Werkpaar „Präludium und Fuge“, nämlich eingangs in c-Moll, BWV 549, und am Ende in C-Dur, BWV 547.

Matthias Keller: Warum gerade BWV 549 und 547 als Rahmen der ersten Folge [in der NML Disc 1]?

Peter Kofler: Hier war mir wichtig, die beiden Pole zu haben, das dunklere c-Moll am Anfang und das helle C-Dur als Abschluss.

Matthias Keller: Also spielen für Sie auch die tonartlichen Beziehungen der Stücke untereinander eine Rolle?

Peter Kofler: Unbedingt. Natürlich gibt es immer auch andere Möglichkeiten, aber manches scheidet schon deshalb aus, weil es bereits an anderer Stelle Verwendung findet, also bereits eingespielt wurde. Insgesamt betrachtet geht es mir immer auch um eine gewisse Symmetrie: außen die erwähnten beiden Säulen, gefolgt von Choralbearbeitungen, Choralpartiten und Trios – das Ganze in einer Art Spiegelung – und in der Mitte das interessante „Pedal-Exercitium“, BWV 598.     

Matthias Keller: Sie haben sich ja entschlossen, in Ihrer Gesamteinspielung der Bachschen Orgelwerke auf die zweifelhaften Stücke wie zum Beispiel die „8 kleinen Präludien und Fugen“ ganz zu verzichten und auch keine Ergänzungen bei fragmentarisch überlieferten Stücken zu spielen, sondern Letztere unvollendet zu belassen. Nun findet sich aber auch die erwähnte kleine Choralpartita, BWV 758 im Bach-Werke-Verzeichnis unter der Rubrik „Zweifelhaftes und mangelhaft Überliefertes“ und Sie haben sie trotzdem aufgenommen.

Peter Kofler: Dieses sehr frühe Werk wird in der einzig vorhandenen Quelle Johann Sebastian Bach zugeschrieben. Generell merkt man bei vielen frühen Werken die Einflüsse der norddeutschen Orgelschule und Bachs Gespür für bestimmte markante Wendungen und Stilistiken, die er einerseits übernimmt, andererseits aber auch mit Eigenem mischt: was bei anderen Komponisten oft eine reine Stilkopie bleibt, das trägt bei Bach immer eine ganz persönliche, unverwechselbare Handschrift.

Matthias Keller: Wie hoch war denn diesmal der Anteil der Werke, die Sie sich vollständig neu erarbeiten mussten?

Peter Kofler: Dieser Anteil steigt natürlich, je weiter die Gesamteinspielung voranschreitet. Ich schätze, dass es bei diesem zweiten Album schon um die 50% waren. Wobei es durchaus Stücke gibt, die technisch leichter zu erarbeiten sind – was nicht heißt, dass sie sich auch leichter aufnehmen lassen. Interessant ist aber, was das Zusammenspiel von Interpret und Tonmeister bei der Aufnahme betrifft, dass wir immer weniger Zeit für Korrekturen benötigen. Martin Fischer ist in der Lage, gewisse Problemstellen oder Komplikationen bereits zu antizipieren und mich schon im Vorhinein auf solche rhythmischen oder artikulatorischen Details aufmerksam zu machen.

Was die Registrierung betrifft, gibt es in dem gesamten Integrale immer wieder neue Entdeckungen an Klangfarben und Klangmischungen. Ich mache nie eine Kopie dieser oder jener Registrierung, sondern registriere immer wieder neu dem jeweiligen Stück entsprechend. So ergeben sich – auch nachdem wir schon so viele Stunden Musik realisiert haben – immer wieder neue Klänge.

Matthias Keller: Sie selbst arbeiten beim Registrieren wie auch bei der Aufnahme nach wie vor mit Kopfhörer?

Peter Kofler: Ja, allein wegen der räumlichen Überakustik. Aber beim Einregistrieren muss ich auf die fest installierten Mikrofone zurückgreifen, während Martin Fischer bei den Aufnahmen seine ganz eigene Mikrofonierung verwendet. Trotzdem kann ich auf diese Weise recht gut abschätzen, wie es am Ende tatsächlich klingen wird.

Matthias Keller: Stichwort „Registrierung“: es könnte jetzt vielleicht der Eindruck entstehen, dass bei der beschriebenen individuellen Vorgehensweise die historisch verbindlichen Erkenntnisse über barocke Standards oder Bachs eigene Vorlieben – sofern bekannt – ein wenig auf der Strecke bleiben …

Peter Kofler: Ganz und gar nicht. Nur ist es einfach ein Unterschied, ob ich mich als Hörer unten in der Kirche befinde oder in der Position der Mikrofone, die ja beispielsweise viel näher am Rückpositiv sind: wie stark darf ich das Rückpositiv innerhalb eines Plenums registrieren, ohne dass es heraussticht oder „schmutzt“ und an Klarheit einbüßt? An diesen Nuancen, die man als Konzerthörer*in vielleicht gar nicht wahrnehmen würde, tüfteln wir oft ziemlich lange herum. Aber abgesehen von gewissen historischen Standards gibt es gerade an dieser modernen Orgel enorm viele Möglichkeiten, Farben einfließen zu lassen, um den Klang in eine „historischere“ Richtung zu bringen – ohne freilich zu wissen, was Bach hier konkret registriert hat. Anders gesagt: mir geht es nicht darum, Klangfarben des Showeffekts wegen zu kreieren, sondern es geht immer um die Sache, die sich grundsätzlich am historischen Klang orientiert.

Wichtig ist auch, dass wir einerseits Instrumente aus der Bach-Zeit kennen, die er selbst beispielsweise als Orgelsachverständiger abgenommen hat; andererseits wissen wir aber auch, dass keines dieser Instrumente annähernd vollkommen war, und dass Bach zu seinen Lebzeiten kaum je eine hinreichend große Orgel zur Verfügung hatte. Er hat eigentlich immer nur Wünsche artikuliert, nach mehr „Aliquoten“ verlangt oder nach einem 32-Fuß-Register oder mehr grundtönigen Registern und dergleichen mehr.

Die entscheidende Frage vor diesem Hintergrund ist doch, was Bach heute gefallen und wie er mit einer modernen Orgel umgehen würde!

Matthias Keller: Haben Sie vor, dieses Bach-Integrale nach Abschluss der Aufnahmen auch live als Konzertzyklus zu präsentieren?

Peter Kofler: Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Aber es ist eine reizvolle Idee!


Auch interessant: „OPUS BACH | Orgelwerke Vol. 1“

OPUS BACH | Orgelwerke Vol. 1
Peter Kofler

Katalog-Nr.: B108110

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